Protest 500 - vom Weihnachtslied zum Aufstand

Kabinettausstellung im BIMU vom 28. November 2024 bis 24. Mai 2025
Mit Liedern, gedruckt auf Flugblättern und in ersten Liedersammlungen der Muttersprache, darunter älteste Weihnachtslieder, üben vor 500 Jahren sowohl Männer als auch Frauen in Städten und auf dem Land gewaltfreien Protest gegen Missstände von Politik und Kirche und setzen Reformen durch. Andernorts führt die Botschaft der Freiheit zu blutigen Aufständen.
Wertvolle Drucke aus dem 16. Jahrhundert
Die Ausstellung erinnert mit wertvollen Drucken an eine Zeit, als sich Ohnmächtige mit Protest, Gesang, mit und ohne Gewalt erstmals Gehör verschafft haben. In Frankfurt am Main erscheinen nach Ostern 1525 die 46 Artikel zur Reform der spätmittelalterlichen Gesellschaft. Ein Mitspracherecht und die Fürsorge für die Schwachen sind zentrale Forderungen, die bis heute wirken.
Gewaltfreier Protest mit Gesang
Frankfurt am Main gilt als eine der Städte, in denen die Bevölkerung durch Gesang ihren Protest gewaltfrei ausdrücken. Zwischen Ostern und Pfingsten 1525 übernehmen Handwerker und Händler im „Zunftaufstand“ die Macht in der Stadt und geben ihren Forderungen Gestalt nach dem Vorbild der Proteste der Landbevölkerung an anderen Orten in Süddeutschland. Einige der Reformen setzen sich durch trotz der Niederschlagung des Bauernaufstandes vor 500 Jahren.
Bald wechseln die Reformatoren die Seiten und verbünden sich mit den Fürsten. Das Gefühl des Aufbruchs in eine neue Zeit mit Liedern und der Hoffnung auf Veränderung erwacht seitdem immer wieder neu. Das deutsche geistige Lied verändert nicht nur die Gottesdienstlandschaft, sondern ermöglicht nun auch der illiteralen Gesellschaft das Evangelium zu hören und zu verkündigen. Es ist Zeichen eines gelebten Priestertums aller Getauften und „empowert“ die frühneuzeitliche Bevölkerung.
Veranstaltungen im Begleitprogramm
Mittwoch, 27. November, 17 Uhr
Vernissage mit Professor Stefan Michels
500 Jahre Gesangbuch und 500 Jahre Bauernkrieg
Mittwoch, 11. Dezember, 16 Uhr
Adventführung mit Museumsdirektor Veit Dinkelaker
„… dass Du Mensch geworden bist“
Advent und Weihnachten in den frühesten Gesangbüchern vor 500 Jahren
Mittwoch, 22. Januar, 18.00 Uhr, Kuratorenführung durch die Ausstellung: „Lieder, Frauen, Aufruhr“ - 500 Jahre Gesangbuch. 500 Jahre Revolte. Mit Museumsdirektor Veit Dinkelaker.
Mittwoch, 12. Februar, 18.00 Uhr, Kuratorenführung: „46 Artikel - Frankfurter klagen ihre Rechte ein“. Mit Museumsdirektor Veit Dinkelaker
Sonntag, 23. Februar, 15.00 Uhr, “46 Artikel - Frankfurter klagen ihre Rechte ein“. Kuratorenführung durch die Ausstellung. Mit Museumsdirektor Veit Dinkelaker
Mittwoch, 19. März, 19.30 Uhr
Dr. Yasmin Vetter: „Singen, Lehren, Sorgen – Frauen erheben ihre Stimme“. Vortrag mit Diskussion
Ostermontag, 21. April, 11.00 Uhr Osterspaziergang zu den Schauplätzen der Frankfurter Revolte von 1525. Mit Pilgerpfarrer Dr. Jeffrey Myers und Museumsdirektor Veit Dinkelaker. Treffpunkt: Alte Nikolai Kirche am Römerberg.
Montag, 28. April, 18.00 Uhr
Dr. Michael Matthäus: Der Frankfurter Aufstand 1525. Vorgeschichte - Verlauf - Nachwirkung.
Ort: Institut für Stadtgeschichte, Frankfurt (Karmeliterkloster)
Dokumente
Die Kabinettausstellung präsentiert die frühesten Drucke von Liedersammlungen ab dem Jahr 1524, dazu den Druck der „46 Artikel der Zünfte der freien Stadt Frankfurt“ vom 22. April 1525.

Eine der ältesten reformatorischen Liedsammlungen, genannt „Enchiridion“, Erfurt 1524, mit dem hier anonym erscheinenden Lied von Elisabeth Cruciger, dessen erster Vers unter den Noten mit den Worten beginnt: „Herr Christ, der einig Gotts Sohn …“. Es enthält den mystischen Vers mit weihnachtlicher Symbolik: „Er ist der Morgensterne, sein Glänzen streckt er ferne vor andern Sternen klar“. Auch nach 500 Jahren bis heute im Evangelischen Gesangbuch.
Bildnachweis: © Württembergische Landesbibliothek Stuttgart

Eine der ältesten reformatorischen Liedsammlungen, genannt „Enchiridion“, Erfurt 1524: Beginn des Weihnachtsliedes „Gelobet seist Du, Jesus Christ“ nach einem lateinischen Hymnus verdeutscht 1523 von Martin Luther - bis heute das Hauptlied zum Christfest am 25. Dezember in evangelisch-lutherischen Kirchen.
Bildnachweis: © Württembergische Landesbibliothek Stuttgart

Vinyl „Go down, Moses“, biblisches Widerstandslied währen der Sklaverei in den USA um 1900, Aufnahme mit Paul Robeson (1974, VEB Schallplatten Berlin DDR).

Copyright bei Institut für Stadtgeschichte Frankfurt: Die 46 Artikel der Zünfte von Frankfurt vom 22. April 1525 - neben den Zwölf Artikeln der Bauern von Oberschwaben, Memmingen 1525, einer der ältesten Rechts-Kataloge der Welt im Druck - zur Verbesserung von Lebensumständen und der Abschaffung unnötiger Privilegien. Neben der Grundversorung für Arme wird Mitbestimmung bei der Besetzung von Ämtern gefordert: ab 1525 wählen die Frankfurter ihre Pfarrer per Wahl selbst.

„Nun freut euch, lieben Christen gmein“ (Martin Luther im Achtliederdruck, Nürnberg 1524) - eines der Protestlieder in den Kirchen und Städten, mit denen die Bevölkerung Veränderung in Kirche und Gesellschaft vor 500 Jahren gefordert hat
Hörbeispiele im Video
Vier Lieder aus den frühesten reformatorischen Liederbüchern von 1524 von Martin Luther und Elisabeth Cruciger und ein Beispiel für ein biblisches Lied des Empowerment „Let my people go!“ aus den USA (19. Jahrhundert).

„Ein neues Lied stimmen wir an“ - das älteste Lied von Martin Luther in ehrender Erinnerung an zwei junge Mönche aus Brüssel, die als Ketzer verbrannt wurden (1523)

„Nun freut euch, liebe Christen g‘mein“ gilt als lyrische Zusammenfassung Martin Luthers der reformatorischen Lehre (1524). Es diente in den Anfangsjahren der Reformation als Protestlied von Männern, Frauen und Kindern in den Kirchen und auf den Plätzen gegen Misstände in Staat und Kirche.

„Gelobet seist du, Jesus Christ, dass du Mensch geworden bist“ gilt als das älteste reformatorische Weihnachtslied (Martin Luther, 1524).

„Herr Christ, der einig Gotts Sohn“ von Elisabeth Cruciger 1524

„When Israel was in Egypt‘s land - let my people go!“ - Spiritual aus den USA, 19. Jahrhundert, mit Bezug auf den Exodus des Volkes Israel im Zweiten Buch Mose der Bibel. - Erkennungslied der „Underground-Railroad“, auf der Sklav*innen vor der Aufhebung der Sklaverei in den USA aus den Südstaaten in die Freiheit der Nordstaaten zur Flucht verholfgen wurde.
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